Dienstag, 12. August 2014

Deutsche Vizemeisterin an der Challenge Roth!


Nach langer Absenz auf diesem Blog gibt es nun endlich mal wieder einen Racereport von mir: Von der Challenge Roth, was für ein Rennen!



Vor meiner nun schon fünften Triathlon Langdistanz war ich aussergewöhnlich nervös. Noch im Winter war mein Ziel klar: Endlich mal schneller schwimmen und eine Laufzeit von mindestens 3:30! In der unmittelbaren Vorbereitungszeit wurden diese Pläne dann über den Haufen geworfen: Aufgrund einer Verletzung konnte ich im Frühling/Frühsommer kaum Lauftraining absolvieren, ich war mir nicht sicher, inwiefern ich den Marathon durchhalten würde. Auch meine Schwimmform war kurz vor dem Rennen nicht ganz da, wo ich mir das gewünscht hätte. Einzig der Velopart machte mir keine Sorgen, hatte ich doch auf den zwei Rädern im Frühling plötzlich einen Leistungssprung gemacht, welcher sich bereits bei meinen Vorbereitungsrennen in Zofingen und Maxdorf gezeigt hatte.

Des Weiteren trat ich das erste Mal in der nächsthöheren Alterskategorie der Damen zwischen 25 und 29 an. Aufgrund der immens grösseren Konkurrenz in dieser Altersklasse rechnete ich nicht mit dem Podium, sondern erhoffte mir einen Top10 Platz. Roth war wie jedes Jahr sehr stark besetzt, wurden ja auch die Deutschen Meisterschaften über die Langdistanz wiederholt dort ausgetragen. Zeitlich setzte ich mir das Ziel einer Zeit um 10:30 Stunden.

Schon die Tage vor dem Rennen waren extrem heiss und so hiess es beim Bike Check-In sofort Luft ablassen, wollte man am Rennmorgen nicht mit platten Reifen dastehen:




Da ich eine der ersten beim Check-In war, konnte ich mir den besten Platz meines Blocks ergattern, was zwar bei meiner Schwimmleistung nicht wirklich entscheidend ist, steht mein Velo doch meist ziemlich einsam in der Wechselzone... Naja!

Am Sonntagmorgen dann klingelte um 3:45 Uhr der Wecker. Nach einem Kaffee machte ich mich mit meinen beiden Betreuern Karin und Daniel von Nürnberg auf Richtung Roth/Hipoltstein. Vom Parkplatz aus ging es über den Kanal zur Wechselzone. Der Moment, bei dem ich jedes Mal in Roth Tränen in den Augen habe, egal ob als Teilnehmer oder Betreuer. Die Stimmung ist einfach unglaublich: Das geschäftige Treiben in der Wechselzone, die Morgendämmerung und der noch ruhige Kanal unter einem. Wahnsinn.

In der Wechselzone dann die üblichen Vorbereitungen: Velo pumpen, Gels ans Oberrohr kleben, Startnummer und Veloschuhe anbringen, Wechselsack ablegen, warmlaufen und Neo anziehen. Die Durchsage "Startnummer XY, gehe bitte zu deinem Fahrrad, du hast zwei platte Reifen" wurde mehr als einmal über Lautsprecher durchgeben und verursachte bei mir jedesmal Gänsehaut.

Um 6:30 erfolgte der Start der Profis, von dem ich selbst nicht viel mitbekam, da ich mich bereits vor dem Eingang der "Vorstartzone" bereit machte. Als dritte Startgruppe starteten um 6:45 Uhr alle Frauen (ausgenommen die Top20). Da wir nur fünf Minuten hinter den schnellsten männlichen Agegroupern gestartet wurden, schafften es viele Frauen nicht rechtzeitig an die Startlinie, da der Weg von der Vorstartzone zu lang, bzw. die fünf Minuten zu kurz waren. Ich war davon glücklicherweise nicht betroffen und konnte aus einer für mich perfekten Position starten.


Ich fand schnell meinen Rhythmus, konnte aber, so sehr ich es auch versuchte, keinen Wasserschatten erwischen. Sobald ich endlich mal Füsse gefunden hatte, schwamm diese Frau entweder plötzlich schneller oder total im Zickzack, so dass ich entnervt aufgab. Bei meinem letzten Rennen in Maxdorf im Juni sowie bei meinem letzten Start in Roth in 2010 war ich jeweils zu schnell angeschwommen und brach auf den letzten Kilometern ein. Das wollte ich diesmal verhindern und versuchte mir die 3.8km besser einzuteilen. Auf dem langen Rückweg hatte ich dann das Gefühl, zu langsam, zu locker unterwegs zu sein. Aber ich konnte mein Tempo nicht wirklich steigern, hatte einfach keine Kraft in den Armen. Als ich dann (mir kommt das Schwimmen immer endlos vor) nach 1:17 Stunden aus dem Wasser stieg, war ich erstmal enttäuscht. Da hatte ich mir doch ein paar Minuten weniger erhofft! Als ich dann auch noch meinen Neo nicht über meine Pulsuhr bekam (das ist mir noch nie passiert...), war ich schon etwas genervt. Meine Helferin im Wechselzelt löste das Problem aber sehr schnell. ;)

Ich gab Gas beim Wechsel und schon sass ich auf dem Velo. Ich wusste, dass mit dem Schwimmen die schlimmste Disziplin überstanden war, es konnte nur besser werden. Also Schwimmzeit abhaken und Gas geben. Die ersten Kilometer der Velostrecke sind schnell, danach folgt aber ein welliger Teil, auf welchem ich mich miserabel fühlte. Ich fand keinen Rhythmus, hatte sehr schwere Beine und hatte gefühlt viel zu viel Gegenwind. In den Moment dachte ich mir "mein Gott, heut ist echt nicht dein Tag, der Tag wird lang". Irgendwie wurde es aber immer besser und als ich die erste, stark eingeschätzte Konkurrentin meiner Altersklasse überholte, hellte sich meine Stimmung schlagartig auf. Ich kenne gewisse Teile der Velostrecke inzwischen ziemlich gut von eigenen Starts oder Trainingsfahrten als ich als Betreuerin in Roth dabei war. Mein Lieblingsteil sind die, von einheimischen Time Trial Strecke genannten, Kilometer vor Greding und dem Kalvarienberg. Normalerweise kann man dort seinen Kilometerschnitt erheblich verbessern. An diesem Tag war alles anders: Der Wind blies uns entgegen und drückte den Schnitt herunter. Generell empfand ich den Wind als überaus stark an diesem Tag, was viele andere Starter im Ziel bestätigten (oftmals hab ich das Gefühl, ich bilde mir den Wind nur ein :)). Wenigstens war der Wind nicht so stürmisch wie noch tags zuvor. Und eigentlich ist Wind ja nur vorteilhaft für starke Radfahrer!




Ich wusste ja eigentlich, was mich am Solarer Berg erwarten würde. Aber, wie sollte es auch anders sein, kaum bog ich um die Kurve und sah und hörte die Menschenmassen vor mir, hatte ich Tränen der Freude in den Augen. Mit einem (zumindest gefühlten) Grinsen liess ich mich von ihnen den Berg hoch peitschen. Dass mich mein Coach Bennie Lindberg in dem Getümmel entdeckte und ein paar Schritte neben mir herrannte, "Sötnos und Rock´n´Roll und hau rein" oder sowas schreiend, war für mich ein weiteres Highlight. Inzwischen lief es mir grossartig und ich begann, die ersten Frauen mit tiefen Top20 Startnummern (15min vor mir gestartet) einzusammeln.



Die zweite Velorunde war dann aufgrund meiner Füsse etwas schmerzhaft: Wie schon oft bei heissen Temperaturen brannten meine Fussballen wie Feuer, jeder Pedaltritt eine Qual. Ich versuchte, die Schmerzen durch Öffnen der Veloschuhe und ständiges Hin- und Herrutschen der Füsse zu mindern. Das half nicht wirklich. Janu, Zähne zusammenbeissen und weiterkurbeln war die Devise. Ich wusste ja, dass die Schmerzen, sobald ich aus den Radschuhen raus war, wie weggeblasen sein würden.

Bei km 175 der Radstrecke dann der grosse Schock: Beinahekollision mit einem über die Strecke rennenden Zuschauer. Ein anderer Teilnehmer und ich konnten gerade noch in letzter Sekunde ausweichen. Er fluchte und meinte "das war verdammt knapp". Ich: "Ja, und jetzt bin ich wieder hellwach!" Er: "Na dann hau rein Mädel" und wusch, ich war weg! :)

In der Wechselzone sprang ich vom Rad, drückte es einem Helfer in die Hand und blickte auf meine Uhr: 5:20! Juhuu! Ich war 100% happy mit meiner Velozeit. Meinen Wechselbeutel bekam ich nicht auf Anhieb, rief der Helfer doch 532 anstatt 523 zu seinen Kollegen herüber. Aber die Helfer in Roth sind einfach spitzenmässig, wie sie uns anfeuerten und selbst in der Hitze litten! In der Wechselzone wieder eine eigene Helferin, welche mir zur Hand ging und mich auch noch mit Sonnencreme einschmieren wollte. Ich winkte ab, keine Zeit für solche Spässe! Was wäre auch eine Langdistanz bei 33 Grad ohne Sonnenbrand?!

Ich lief schnell aus der Wechselzone, meine Beine fühlten sich so frisch wie noch nie nach 180km auf dem Velo an. Die Hitze schlug jetzt aber sofort ein, inzwischen war es früher Nachmittag und das Thermometer war auf schwülheisse 33 Grad gestiegen. Die ersten Kilometer raus zur Lände liefen aber richtig gut. Dort sah ich Bennie wieder, er schien mir fast ein wenig überrascht, als ich um die Ecke kam. Kaum an Kanal, schlug mir der Wind mit voller Kraft entgegen. Leider lief ich ziemlich einsam, die Profis kamen mir bereits entgegen, ansonsten war ich nur auf der Überholspur und konnte daher keinen Windschatten finden. An den Verpflegungsstellen leerte ich mir Wasser und Cola rein wie ein Kamel. Mir war so heiss! Aber es lief. Plötzlich stand Corina am Wegrand und feuerte mich an, ich war völlig überrumpelt, hatte ich doch irgendwie völlig vergessen, dass sie als Betreuerin in Roth war. An der Schleuse Schwanstetten stand dann meine eigene Supportcrew plus Verstärkung durch Gerhard und Margot. Ich freute mich!


Ich versuchte, ein konstantes Tempo zu halten. Meine Beine fühlten sich noch ganz gut an, Schmerzen hatte ich überhaupt keine. Ich konnte mich auch gut verpflegen, schaffte es, auch auf der Laufstrecke noch Gels zu mir zu nehmen. Ich hatte eher mental Mühe, das Tempo hoch zu halten. Immer wieder redete ich mir ein: "Jetzt reiss dich zusammen, solange sich deine Beine noch so anfühlen, musst du gefälligst Gas geben!" Ich war froh konnte ich ab km 15 mit dem Wind den Kanal entlang laufen. Dass meine "Laufspur" ziemlich leer war und mir massig Läufer entgegen kamen, motivierte mich umso mehr. An der Lände bei km 21 stand dann wieder Bennie, er weiss einfach, wie man mich motiviert. :))

Auf dem Weg zum zweiten Wendepunkt wurde es wieder einsamer, hier waren noch nicht viele Läufer unterwegs. Vereinzelt kamen mir Frauen entgegen, welche tiefe Top20 Startnummern trugen und bereits in Richtung Ziel unterwegs waren. Plötzlich dachte ich mir: "Soviele waren das jetzt aber noch nicht..." Die Kilometer vor dem zweiten Wendepunkt sind brutal: Es geht immer leicht bergan, das Tempo reduziert sich zunehmlich. Ich kämpfte. Genau in dem Moment war Bennie wieder da und rief mir zu "geniess die Schmerzen, du hast sie verdient!" Ich schaute immer öfter auf meine Uhr, begann zu rechnen, ob es mir zur 10:30 reichen würde. Dann endlich der Wendepunkt bei km 28, ab nach Hause!

Beim Hot Spot in Eckersmühlen freute sich der Spreche mit mir: "Das sieht noch richtig gut aus, Caroline!" Ich grinste. Kaum bog ich auf den Kanalweg ein, verging mir das aber wieder. Der Gegenwind war inzwischen nochmals stärker geworden und bremste mein Tempo um gut 10-20sek pro km herunter. Ich begann wieder zu rechnen und fasste den Entschluss, Vollgas bis zur Lände, so schnell wie möglich raus aus dem Wind. Ich rannte und rannte, bog erleichtert an der Lände vom Kanal ab und hatte total saure Beine. Uups! :) Noch 7km bis ins Ziel. Ich lief nun jeden Meter so schnell, wie ich noch irgendwie in der Lage war und konnte mein Tempo nochmals steigern. Nun begann ich auch, um Platzierungen zu kämpfen. 4km vor Schluss kommt ein kurzer giftiger Anstieg, bevor die Ehrenrunde durch die Rother Altstadt beginnt. Hier explodierten meine Beine beinahe. Ich kämpfte und kämpfte. Ich hatte solche Schmerzen, ich wollte nur noch, dass alles vorbei ist. 2km vor dem Ziel der letzte Verpflegungsposten: Ein männlicher Mitstreiter vor mir hielt an, fing an zu essen. Ich konnte es kaum glauben. Plötzlich entdeckte ich eine Frau vor mir. Die wollte ich mir noch schnappen. Ich beschleunigte nochmals, lief in hohem Tempo an ihr vorbei und zog einfach weiter. Die letzte Kurve. Weiter vorn sah ich den Abzweig zur Zielarena. Ich litt, ich kämpfte, ich lief. Auf dem roten Teppich dann ein Lächeln, Abklatschen und drin war ich in der Arena. Ein wahnsinniges Getöse, glaube ich. Ich kann mich gar nicht mehr an den Moment erinnern. Ich war einfach nur erleichtert, endlich im Ziel zu sein. Bei 10:22 stoppte die Uhr. Neue Bestzeit.


Im Ziel war ich sofort überglücklich, ich hatte meine Zielzeit souverän erreicht und in allen drei Disziplinen neue Bestzeiten aufgestellt (auch wenn die im Schwimmen ruhig etwas besser hätte sein können). Beim Erdinger Alkoholfrei im Athletenbereich unterhielt ich mich mit einigen Athleten, kein einziger ausser mir war zufrieden mit seiner Zeit. Die windigen und heissen Bedingungen forderten ihre Opfer. Ich denke, dass Hitzerennen in Maxdorf hat mich perfekt auf diesen Tag vorbereitet, gegen diese 36 Grad erschien mir das hier nur lauwarm. ;)

Erst viel später, als ich mit meinem Supportteam beim Abendessen sass, erfuhr ich per SMS aus der Heimat, dass ich es nicht nur als Dritte aufs Altersklassenpodium geschafft hatte, sondern auch 24. Frau geworden war. Ein Ergebnis, mit welchem ich zuvor wahrlich nicht gerechnet hätte. Ich war auf Wolke sieben.

Bei der stimmungsvollen Siegerehrung am Montagmorgen bekam ich zudem meine Silbermedaille für den Vizetitel der deutschen Meisterschaft umgehängt. Das dritte Mal Tränen in den Augen an diesem Wochenende.

Ich danke meinem Supportteam Karin und Daniel für die super Betreuung vor, während und nach dem Rennen; ich danke Gerhard und Margot für das leckere Vorwettkampfessen; ich danke meinem Team Tempo-Sport bikespeed.ch und allen Sponsoren für ihre Unterstützung; ich danke allen, die mir vor Ort, über facebook oder über den Athlete Tracker die Daumen gedrückt haben und ganz besonders danke ich meinem Coach Bennie Lindberg, der es immer wieder schafft, dass ich topfit am Start stehe, auch wenn ich es selber gar nicht weiss! 5x Langdistanz, 5x Podium. DANKE BENNIE.

Die Fakten:
3.8 swim: 1:17
180 bike: 5:20
42.2 run: 3:40
226 total: 10:22
3rd agegroup W25-29 / 24th woman overall
German Championships: 2nd agegroup / 11th woman overall

BOOM!